multilingual GRAZ / STYRIA

Multilinguale Steiermark 2019-2021

Das vom Land Steiermark geförderte Projekt Multilinguale Steiermark dokumentiert und beschreibt Mehrsprachigkeit und Pluralität in der Steiermark aus diachroner und synchroner Perspektive.

 

Das Projekt besteht aus den folgenden Teilbereichen: ein Forschungsteil beschreibt die vorhandene Multilingualität im öffentlichen Raum (linguistic landscape approach) und die sprachliche Besiedelungsgeschichte der Steiermark (Toponymforschung). Illustriert wird die Sprachenvielfalt durch Sprachverwendungsprofile und -biographien (sociolinguistic-ethnographic approach).

 

Steirische Sprachenlandschaft

Für die Dokumentation steirischer Mehrsprachigkeit und wurde vom Forschungsbereich Plurilingualuismus das Erhebungstool SprachShot (SpraSh) entwickelt. Mit seiner Hilfe werden Daten zu historischer und gegenwärtiger Vielsprachigkeit partizipativ erhoben und eine multilinguale Sprachkarte der Steiermark erstellt. Diese bildet sprachliche Spuren früher Bevölkerungen bis zu gegenwärtiger Sprachverwendung ab. Die SpraSh integriert als erste Applikation verschiedene Typen linguistischen Datenmaterials und enthält Sprachaufnahmen, die von Dialektproben über Soziolekte bis zu Jugendsprache reichen, eine photographische Dokumentation sprachlicher Diversität, und Videoaufnahmen mehrsprachiger Kommunikationspraktiken. Die interaktive Landkarte wird partizipativ durch Schulworkshops mit Daten befüllt.

Zur SpraSh


Die Ortsnamen der Steiermark

Die historische Vielfalt der Steiermark ist durch zahlreiche archäologische Funde belegt. Sprachlich ist sie in den Toponymen erhalten. Die Toponyme der Steiermark, wie sie heute vorliegen, gehören sprachlich gesehen zur indogermanischen Sprachfamilie. Es kommen keltische, lateinische, slawische und germanische Ortsnamen vor. Außerdem gibt es einige Toponyme mit archaischen Wortstämmen, die auf eine nicht erhaltene Sprache verweisen, die vor der Besiedelung durch die Kelten gesprochen wurde. Auch diese Sprache gehört zur indogermanischen Sprachfamilie.

Informationen zur Bedeutung der Ortnamen finden Sie hier [Link]

Folgende Sprachen finden sich in den steirischen Toponymen:

Protokeltisch

Der Begriff ‚protokeltisch‘ bezeichnet die Toponyme, die sprachlich auf eine ältere Besiedelung als die keltische verweisen. Diese ist zwar durch archäologische Funde – wie etwa Gräberfeld am Burgstallkogel – in der Steiermark belegt, sprachliche Spuren sind aber nur mehr in den Toponymen, und hier in erster Linie in den Hydronymen zu finden. Zeitlich entspricht die protokeltische Phase in etwa der Hallstattkultur ab 800 v. Chr. Ein Beispiel für eines dieser archaischen Toponyme ist das Hydronym Sulm. Es lässt sich auf einen rekonstruierten protokeltischen Wortstamm *suel- / sul- für „anschwellen“ zurückführen.

Keltisch

Auch die keltische Besiedelung der Steiermark (ab ca. 450 v. Chr.) ist sprachlich nur in den Toponymen festzumachen. Der keltische Stammesverbund wird aber von römischen Geschichtsschreibern häufig erwähnt. Das Zentrum des Herrschaftsgebiets lag in Kärnten. Die keltische Bevölkerung übernimmt den protokeltischen Wortstamm *suel- / sul- und passt ihn dem eigenen Sprachklang an, indem das protokeltische *-u zu keltisch -o wird und das keltische Suffix -va hinzugefügt wird: Solva.

lateinisch

Im ersten Jahrhundert nach Christus erfolgte die Eingliederung des Gebietes der Steiermark in das römische Reich. Zum Unterschied zu späteren lateinischen Ortsnamen bezeichnen wir die Toponyme aus dieser Zeit als römisch-lateinisch. In zeitgenössischen Aufzeichnungen und Inschriftenfunden sind 8 römische Ortsbezeichnungen zu finden. Eine davon, Flavia Solva, ist auch archäologisch nachgewiesen. In diesem Toponym verbindet sich der Name des Stadtgründers, Titus Flavius Vespasianus mit dem vorgefundenen keltischen Hydronym. Archäologische Funde weisen auch auf zahlreiche weitere Niederlassungen hin, von denen aber keine Namen überliefert sind. Der Ortsname Mößna ist der einzige lateinische Ortsname, der nicht bereits in der karolingischen Zeit aufgegeben wurde, er wird heute noch verwendet und geht zurück auf lateinisch mansio (Herberge).

Mit der Christianisierung der slawischen und bajuwarischen Stämme gewann Latein nach der Zeit des römischen Reiches nochmals an Bedeutung. Molintergraben ist ein Toponym, das auf mittellateinisch molendinarius (Müller) zurückgeht. Eine weitere Gruppe lateinischer Toponyme sind sekundäre Umformungen im Mittelalter und der frühen Neuzeit wie Seccovia (Seckau).

Slawisch

Ab dem 6. Jahrhundert nach Christus wandern slawische Stämme von Süden und Westen her ein. Das von ihnen gegründete Fürstentum Karantanien hat seinen Verwaltungssitz und sein kulturelles Zentrum in Kärnten. Die Besiedelung des Ostalpenraums erfolgt entlang der Flüsse Raab und Mur. Das bereits erwähnte Toponym Seckau geht zurück auf ein rekonstruiertes slawisches *sěka: "Lichtung, Schlägerung“, beziehungsweise das slawische Verb žekti:"brandroden".

Bajuwarisch

Zur Zeit der keltischen und slawischen Besiedelung leben in der Steiermark auch verschiedene germanische Stämme wie die Langobarden. Die Einwanderung bajuwarischer Stämme vom Norden her findet ab dem 8. nachchristlichen Jahrhundert statt und hinterlässt Spuren in der steierischen Toponymie. Die bajuwarischen Stämme übernehmen einige der vorgefundenen Toponyme. Das keltische Solva ist ab 860 n. Chr. als Sulpa zu finden und macht in weiterer Folge die Entwicklung zum heutigen Sulm durch. Die meisten heutigen Toponyme der Steiermark lassen sich auf die slawische und bajuwarische Besiedelungsgeschichte zurückführen.

Slawisch-deutsch

Auch in der neueren Geschichte der Steiermark kam es immer wieder zu Umgestaltungen von Ortsnamen. Sehr oft wurde einem slawischen Toponym ein deutscher Bestandteil hinzugefügt, der auf bestimmte Gegebenheiten hinweist. Der Name Bad Aussee geht zurück auf das slawische ustje (Mündung). Der Zusatz Bad kam 1911 dazu und steht am Abschluss der Entwicklung des Ortes zu einem Kurort (ab 1868). Vor allem im steirisch-slowenischen Grenzgebiet gibt es Ortnamen, die sowohl eine deutsche, als auch eine slowenische Bezeichnung tragen. Die bekannten Beispiele sind in diese Karte inkludiert, die Forschung steht hier allerdings erst am Anfang. Es ist zu erwarten, dass Feldforschungen noch einige slowenisch-deutsche Ortsbezeichnungen zutage bringen werden.


3000 Jahre Sprachverwendungsprofile

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