Dokumentation der sprachlichen Vielfalt
der Steiermark
Sprachbiographien – Cristina (25)
Rumänisch / Deutsch / Ungarisch / Spanisch
Rumänisch und Ungarisch
Cristina kam mit ihrer Familie 1989 von Rumänien nach Graz. Sie war zu dem Zeitpunkt dreieinhalb Jahre alt und sprach kein Wort Deutsch, sondern nur Rumänisch und Ungarisch. Ihr Vater stammt aus Timișoara, der westlichsten Stadt Rumäniens, und ihre Mutter aus einer kleineren Stadt in der Nähe. Die Familie von Cristinas Vater sprach schon immer Deutsch, und zwar ein, wie sie sagt, Polnisch-Deutsch aus Siebenbürgen.
Die Familie der Mutter spricht Ungarisch und Rumänisch, da Cristinas Großmutter ursprünglich aus Ungarn kam. Bis zum Alter von 4 Jahren hat sie mit der mütterlichen Seite ihrer Familie nur Ungarisch gesprochen, mit der väterlichen Rumänisch.
Aus politischen Gründen kamen sie Ende der 80er Jahre nach Österreich, und haben auch kurz darauf die österreichische Staatsbürgerschaft erworben.
"eh ike" und "haste mal"
Mit ihren Eltern hat sie auch zuhause in Österreich fast nur Rumänisch gesprochen. Soweit sie sich erinnern kann erlernte sie das Deutsche ganz schnell im Kindergarten. Für ihren Bruder war es hingegen sehr schwierig. Er war damals ca. 10 Jahre alt und hatte Probleme mit dem steirischen Dialekt und der Aussprache in der Schule.
Wenn sie sich aufgezeichnete Videos aus ihrer Kindheit ansieht, merkt sie, dass sie sehr “hochdeutsch” spricht. Sie ist der Meinung, dass sie auch jetzt eher in Standard spricht, aber sowohl “Dialekt” sprechen kann. Oft wird sie gefragt, ob sie aus Wien kommt.
Cristina meint sie könne “Sprachen” sehr schnell annehmen. Ein Beispiel dafür wäre die kurze Zeit, die sie in Berlin gelebt hat. Sie war knapp fünf Monate dort und hat das Berlinerische sehr schnell adaptiert. Nach drei Monaten kamen Freunde aus Graz zu Besuch, dabei musste sie sich große Mühe geben wieder ins Grazerische zu switchen. (“...weg vom 'eh ike und 'haste mal'...”)
Die Interesse verloren
Dadurch, dass Cristina ihr Ungarisch nur ganz selten bis nie gesprochen hat, hat sie es scheinbar verlernt. In der Pubertät nahm ihre Lust aufs Rumänischsprechen nach, sie sprach es nur mehr mit Bekannten und Verwandten, wenn diese sie auf Rumänisch kontaktierten. Wenn ihre Eltern sie aber auf Rumänisch ansprachen, antwortete sie nur auf Deutsch. Erst seit einem Jahr spricht sie wieder sehr viel Rumänisch mit ihrer Mutter und mit ihrem Vater eine Art Mischmasch der beiden Sprachen. Sie sagt, dass sie in den letzten 5 Jahren wieder begonnen hat sich für das Rumänische zu interessieren.
Der Grundfreundeskreis der Eltern ist hauptsächlich rumänischer Herkunft, wohingegen sie nur sehr wenige Rumänen im selben Alter getroffen hat. Ihr Freundeskreis setzt sich vorwiegend aus Grazern bzw. Österreichern zusammen. Trotzdem freut sie sich immer, wenn sie Rumänen trifft, vorallem jetzt, wo sie wieder vermehrt Rumänisch spricht. Jedoch sucht sie nicht zwingend den Kontakt zu Rumänen.
Das Land genießen
Beim Sprachenlernen tue sie sich “voll leicht”, vor allem mit romanischen Sprachen. In der Schule lernte sie Französisch und maturierte auch darin. Die französische Sprache war für sie leicht zu lernen, auch die Aussprache.
Später auf die Uni studierte sie anfangs Romanistik und wählte Spanisch als Wahlpflichtfach. Spanisch lernte sie nur kurzzeitig, meint dazu aber, dass sie vieles davon versteht und sie würde sich auch leicht tun die Sprache weiter zu lernen. Sie erinnert sich an einen Urlaub in Spanien, wo sie sich mit einem Taxifahrer auf “brökeligem” Spanisch, Französisch und Italienisch verständigt hat.
Früher reiste sie mit ihrer Familie jeden Sommer nach Rumänien und genoss das Land. Wiederum verlor sie mit 13-14 Jahren das Interesse daran und schämte sich zum Teil ihrer Herkunft. Mittlerweile ist Cristina aber wieder öfter unten, wenn es ihr möglich ist. In Rumänien wohnen noch ihre Tante und eine Großmutter und ihre Mutter besitzt ein Haus dort. Letzten Sommer war sie wieder dort und machte mit ihren Eltern eine Tour durchs Land.
Ein Gefühl der Vertrautheit
Zum Ungarischen erzählt sie weiter, dass wenn z.B. Ihre Mutte mit ihrer Tante am Telefon nur Ungarisch redet, für sie die Sprache vertraut und familiär klingt. Sie versteht worüber sie sprechen und kann dem Gespräch folgen. Bei ein paar Wörtern tut sie sich schwer. Wenn sie auf der Straße jemanden Ungarisch sprechen hört, bekommt sie ein Gefühl der Vertrautheit und merkt, dass die Sprache “zu ihrer Familie gehört ”.
Cristina meint, wenn ihre Eltern zuhause nicht permanent Rumänisch gesprochen hätten, hätte sie diese Sprache nicht so gut behalten. Trotz des häufigen Sprachgebrauchs, kann sie nicht so schnell und umgangssprachlich reden. Wenn sie z.B. In Rumänien ist und spricht, “quillen die Wörter heraus”, nicht so wie erwartet, sondern “komisch”. Sie sagt sie würde dann gerne “voll los legen, aber das Training fehlt”.
Zurzeit macht sie kleine Übersetzterjobs bei ISOP und wechselt sich mit ihrer Mutter ab. Dabei übersetzt sie für rumänische Patienten und Patientinnen in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen. Cristina hat sich extra Wörterbücher besorgt, weil sie meistens keine spezifischen Wörter kennt. Häufig ist es aber besser Begriffe wie “Gebärmutterhals” zu umschreiben, weil auch Wörter wie diese oft nicht verstanden werden.