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Sprachbiographien – Elizabeth (38)

Swahili / Schambala / Englisch / Deutsch

Elizabeth ist 38 Jahre alt und kommt aus Tansania. Sie erzählt sehr gern von ihrer Kindheit in Afrika. Dort sprach sie zunächst ausschließlich Swahili. Zu den Shambaa gehörend versteht sie zwar auch heute noch einige Wörter der Shambala-Sprache, konnte diese aber nie wirklich aktiv sprechen.

Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ihre beiden Eltern Lehrer waren und in Swahili bzw. Englisch unterrichteten. Ihre Kindheit fand draußen in der Natur statt, erinnert sie sich – völlig anders, als man als Kind in Österreich aufwächst. Man freute sich, wenn es etwas zu essen gab und fing nicht zu weinen an, wenn es nicht die Leibspeise war. Elizabeth kann sich über die Haltung zum Essen in Österreich sehr aufregen. In ihrem Beruf als Kindergartenbetreuerin muss sie oft genug weinende Kinder davon überzeugen, dass es ein wahres Geschenk ist, dreimal täglich Essen zu bekommen. Sie würde ihnen nur zu gerne zeigen, wie es Kindern in Afrika geht, die froh sind, wenn sie zumindest einmal am Tag etwas Warmes oder überhaupt etwas zu essen bekommen.

Da Elizabeths Eltern Lehrer waren, konnten sie es sich leisten, sie auf die Schule zu schicken. In der Primary School wurde sie noch auf Swahili unterrichtet, ab der Secondary School, die sie schlussendlich mit einem Äquivalent zur Matura abschloss, wurde dann ausschließlich auf Englisch gelehrt. Das ist auch der Grund, warum sie heute noch besser Englisch spricht als Deutsch – diese sechs Jahre waren für sie prägend.

Die Liebe führt nach Deutschland

Als sie sich mit knapp über 20 in einen deutschen Touristen verliebte, galt es schon bald die streng christlich-gläubigen Eltern von ihm als ihren zukünftigen Ehemann zu überzeugen. Wichtig für die Eltern war hauptsächlich, dass er Christ ist, woher er kam, war sekundär. Und er war ein sehr gläubiger und frommer Christ – somit stand der Hochzeit und der Auswanderung nach Deutschland nichts mehr im Wege.

In Deutschland war es für sie zunächst sehr schwierig, mit anderen Personen in Kontakt zu treten. Obwohl sie sofort einen Deutschkurs besuchte und auch schon sehr bald vieles verstehen konnte, war sie lange Zeit zu scheu, die neue Sprache auch anzuwenden. Sie hörte aufmerksam zu, schwieg aber die ersten Jahre über in der Öffentlichkeit. Einzig mit ihrem Mann zu Hause versuchte sie ihr Deutsch zu verbessern. Die Leute sprachen ihr einfach zu schnell und sie konnte oft nicht alles verstehen.

Deutsch ist die Sprache der Kinder

Das alles änderte sich schlagartig mit der Geburt ihres ersten Kindes. Als Mutter, sagt sie, kommt man einfach zwangsläufig ins Gespräch mit anderen Müttern. Heute hat sie zwei Kinder, die beide schon in die Volksschule gehen und noch immer profitiert sie von ihnen, was die deutsche Sprache betrifft. Die beiden sprechen besser Deutsch als sie und bessern sie auch oft aus, wenn sie etwas Falsches sagt. Zunächst hat sie den Kindern auch Englisch beigebracht, seit sie in der Schule sind, wird aber hauptsächlich Deutsch gesprochen. Was sie in Bezug auf ihre Kinder bedauert, ist, dass sie es verabsäumt hat, ihnen Swahili beizubringen. Sie versucht dies nun spielerisch durch afrikanische Lieder, zu denen sie gemeinsam trommeln, nachzuholen. Sie findet es wichtig, dass ihre Kinder diese Sprache zumindest ein bisschen verstehen, damit sie auch die Kultur ihrer Mutter begreifen können.

Grazer Deutsch

Der Umzug nach Graz vor sechs Jahren, war für sie zunächst wieder ein ziemlicher Schock. Alles, was sie sich in Deutschland mühsam aufgebaut hatte, war wieder fort. Zudem wurde auch das Verständnis der Sprache wieder um einiges erschwert. Der Dialekt, den manche hier sprechen, machte ihr schwer zu schaffen. Mittlerweile meint sie, in Graz sei es kein Problem die Leute zu verstehen, sobald man allerdings aus der Stadt herauskommt, wird es sehr, sehr schwierig. Mit dem Rassismus ist es ähnlich, sagt sie:“In den Städten vor allem von Seiten der jüngeren Leute spüre man gar nichts, aber am Land und bei den älteren Menschen, da müsse man schon aufpassen.“ Sie spürt es, wenn Leute ihr gegenüber aufgrund ihrer Hautfarbe feindselig gestimmt sind – „Man wird dafür sensibel!“, meint sie.

Heimat in zwei Ländern

Zweimal war es ihr bisher möglich ihre Heimat, die Region Tanga in Tansania, zu besuchen. Wenn sie nach Hause kommt, spricht sie wieder Swahili und musste schon des Öfteren feststellen, dass ihr manche Wörter nur noch auf Deutsch oder Englisch einfallen und sie teilweise eine richtige "Mischsprache" spricht. Ihre Verwandten sind dann oft beleidigt, weil sie meinen, sie sei arrogant geworden und hätte ihre Wurzeln vergessen.

Nicht gerade leicht fällt es ihr auch ihre Heimat bzw. Identität zu definieren. Einerseits ist sie froh, über die vielen Rechte, die sie in Europa als Frau hat. Zu Hause darf sie Männern nicht einmal in die Augen schauen, geschweige denn, sich als Frau in irgendeinen Entscheidungsprozess einbringen – hier macht ihr Mann sogar manchmal den Abwasch… Auch schätzt sie die Disziplin in Europa und dass alle so unglaublich zielstrebig sind.

Andererseits hält sie oft die permanente Belastung und den Stress, der hier vorherrscht, kaum aus, weil man hier nie Zeit dafür hat, einfach einmal nichts zu tun – selbst in der Freizeit muss man einen Plan haben und irgendwelchen Hobbys nachjagen. Auch die Distanz zwischen den Menschen macht sie traurig, weil man hier so wenig miteinander spricht – nur dann wenn man sich wirklich gut kennt. Die Leute seien auch viel ernster, findet sie.

Sobald ihre Kinder mit der Schule fertig sind, kann sie es sich deshalb auch sehr gut vorstellen, wieder nach Afrika zurückzugehen.