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Sprachbiographien – Géza

Ungarisch / Deutsch / Finnisch / Spanisch

Erste Wege zum Deutschen

Géza studiert Cello kombiniert mit Theologie als Unterrichtsfach an der Universität Graz.
Aufgewachsen im 12. Bezirk von Budapest, der als kulturelle Elite der Stadt gilt, zog er, als er elf Jahre alt war, mit seiner Familie für vier Jahre nach Baden-Württemberg, weil sein Vater dort eine Arbeitsstelle angenommen hatte. Vor dem Auslandsaufenthalt nahm er zwar privat Deutschunterricht, aber er konnte sich in einem ungarischsprachigen Umfeld nicht viel unter der Sprache vorstellen. In der Grundschule hatte er Englischunterricht, der zu seiner Zeit erstmals eingeführt wurde und den Russischunterricht ablöste.
Anfangs fiel es ihm sehr schwer aus seiner Heimat wegzugehen und in einem neuen, fremden Umfeld eine neue Sprache binnen kürzester Zeit zu lernen. Im Laufe der Zeit fand er sich aber, auch durch die wachsenden Deutsch-Kenntnisse, besser zurecht, er konnte sich mit der neuen Umgebung aber nie so wirklich anfreunden.

Und nach Graz

Zurück in Ungarn, besuchte er ein Musikkonservatorium sowie anschließend eine Musikhochschule in Budapest, die er mit dem Bachelor abschloss. Er wusste zu diesem Zeitpunkt schon, dass er nicht in seiner Heimatstadt weiter studieren wollte und beschloss nach Österreich, genauer nach Graz, zu gehen. Die Ausbildung war dort zwar nicht besser, aber anders. Er war überzeugt persönlich mehr von der Erfahrung zu profitieren, wenn er ein anderes „System“ kennenlernte. Dazu gehörten für ihn die Anwendung und Erweiterung seiner Sprachkenntnisse, sowie eine gewisse „Abenteuerlust“.

Sprachen vergisst man nicht

Für Géza ist es selbstverständlich, wenn man in ein Land kommt, dass man auch seine offizielle Amtssprache lernt oder zumindest anstrebt, sie so gut wie möglich zu beherrschen. In das Deutsch-Reden ist er nach seinem Deutschlandaufenthalt in der Jugendzeit schnell wieder hineingekommen, als er nach Graz übersiedelte. So geht es ihm auch jedes Mal, wenn er während der Sommerferien in Ungarn ist, und dann wieder nach Graz zurückkehrt; er vergisst manches, kommt aber wieder schnell rein, sobald er die Fremdsprache regelmäßig verwendet.

Deutsch und der Dialekt

Am Anfang war es für ihn schwer, den steirischen Dialekt zu verstehen, was ihm mittlerweile aber auch schon sehr gut gelingt. Dies bemerkte er als er den Film We feed the world sah, in dem er einen Bauer in Mundart reden hörte, der im Film synchronisiert wurde. Er fragte sich daraufhin wozu, weil er ja alles verstand, was der Bauer sagte. Manchmal entdeckt er sich sogar selber dabei, dass ihm typische Ausdrücke dieses Dialekts wie „Naa“ (Nein) oder „Baba“ (Tschüss), die er zuvor aus Deutschland nicht kannte, über die Lippen kommen.

Finnland zu Gast in Graz

Hier in Graz fand er anfänglich sogar finnische AustauschstudentInnen, mit denen er sich auf Finnisch unterhalten konnte, da er zu jener Zeit im Musikkonservatorium „verrückt“ nach Finnland war und für ein Jahr lang, völlig autodidaktisch, die finnische Sprache lernte. Anschließend hatte er dann einen Sommer in Finnland verbracht und konnte zu seiner Überraschung sofort fließend sprechen und sich über Alltagsthemen relativ gut unterhalten.

Ungarn in Graz

In Graz gefällt ihm, dass er mit dem Rad überall hinkommt und es sehr grün ist, und, dass im Vergleich zu einer Großstadt, eine quasi familiäre Atmosphäre existiert. Er fühlt sich in Österreich zwar gut, hier bleiben würde er aber trotzdem nicht, weil ihm seine Wurzeln wichtig sind. Bei dieser Aussage spielen, abgesehen von seiner Muttersprache, vor allem auch die kulturellen Unterschiede zwischen Österreich und Ungarn eine große Rolle, obwohl er ebenso die kulturell-historischen Ähnlichkeiten sieht, die sich oft auch sprachlich niederschlagen.

„In Österreich fehlt mir die „Kalorie“, nicht nur im kulinarischen Sinne, sondern im Bezug auf die Lebensfülle!“

Obwohl Géza als „Nicht-Österreicher“ persönlich noch keine negativen Erfahrungen gemacht hat, gab es dennoch sehr unterschiedliche Reaktionen auf seine Herkunft: ein älterer Herr in einem österreichischen Dorf begrüßte ihn überschwänglich als ehemaligen Verbündeten aus der Zeit der Monarchie. Eine andere Frau hingegen beschwerte sich bei ihm über die ungarischen Banden, die ganze Lastwägen an Rädern in Graz stehlen, worauf er es für besser empfand, ihr seine Nationalität nicht zu verraten. Einmal hat er sogar selbst bei einem österreichischen Geschäft ein Schild gesehen, dass auf ungarisch warnte: “Ungarn, stehlt hier nichts!“ Er selbst meint aber, dass es solche Landsleute in Österreich gibt, er sich für diese aber schämt.

Géza ist außerdem festes Mitglied einer ungarischen Kirchengemeinde in Graz, die für die Ungar/-innen, die hier leben, auch Freizeitprogramme, wie z.B. Ausflüge gestaltet. So trifft Géza täglich auf ungarische Freunde und redet mit diesen in seiner Muttersprache. Auf die Frage, wie sich die Lebensbedingungen in Graz für Ungar/-innen gestalten, antwortete er, dass es schwieriger sei als für Einheimische, weil man mit dieser Nationalität nur sehr schwer eine Arbeitsbewilligung bekommt. In diesem Kontext war für ihn die ungarische „community“ in Graz bisher oft eine Anlaufstelle, wenn er etwas brauchte (ob Job, Unterkunft etc.).

„Man hält zusammen und hilft sich gegenseitig.“

Im Allgemeinen gefällt Géza dieser ständige „Umschaltprozess“, wenn man quasi in zwei verschiedenen Ländern zuhause ist, weil er das Gehirn aktiv hält und verhindert, dass man engstirnig und „beschränkt“ wird in seinem Denken. Er befindet sich also oft „zwischen den Kulturen“, wenn er mit UngarInnen in Österreich und ÖsterreicherInnen in Ungarn kommuniziert. Dennoch kann er sich nicht vorstellen mit „einem Österreicher“ (in Ungarn gibt es kein grammatikalisches Geschlecht, er meint also mit einer „Österreicherin“) liiert zu sein, da keine gemeinsamen Wurzeln vorhanden wären.

Mehrsprachigkeit in der Musik

Außerdem ist Géza Mitglied des Opernchors von Graz, in dem oft verschiedensprachige Opern gesungen werden, die er nicht wortwörtlich, aber inhaltlich versteht. In einem Grazer Kirchenchor singt er auch viele lateinische Stücke, obwohl er nie Latein gelernt hat. Er kennt zwar meistens die Bedeutung oder auch die genauen Übersetzungen der Werke, spricht aber die Sprache(n) nicht. Schon während seiner Musikausbildung in Ungarn lernte er viele Wörter der Musiksprache, die vor allem aus dem Italienischen stammen. Erst als er nach Italien reiste, erkannt er manche dieser Wörter wieder, die zu seiner Verwunderung, auch im täglichen Sprachgebrauch vorkamen. Diese Tatsache erstaunte ihn umso mehr, da er italienische Wörter der Musiksprache, wie „piano, adaggio, allegro“ nie als „Fremdsprache“ angesehen bzw. gelernt hatte.

„Man lernt diese Wörter nicht als Italienisch, sondern als Musiksprache!“

Und noch weitere Sprachen

In der Zeit als das Interview durchgeführt wurde, lernte Géza gerade seit einem knappen Jahr eine weitere romanische Sprache; und zwar Spanisch mit diversen Lernmethoden, weil er ab Herbst 2010 in Bolivien im Rahmen eines christlich-sozialen Projekts für ein Jahr in einer Schulklasse Musikunterricht gab. Mit Spanisch erging es ihm ähnlich wie mit der sprachlichen Vorbereitung für eine Reise nach Taize, einem Wallfahrtsort in Frankreich, für die er einen Französisch-Intensivkurs besuchte: obwohl er passiv sehr viel von der Sprache verstand, konnte er sich nach einem Monat nur sehr schwer ausdrücken bzw. verständigen. Er war jedoch zuversichtlich, dass er seine Spanisch-Kenntnisse in Südamerika schnell verbessern würde.