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Sprachbiographien – Hannah (28)

Amharisch / Tigrinya / Deutsch

Allein nach Österreich

Hannah stammt aus Äthiopien und kam als 15-jähriges Mädchen unbegleitet nach Österreich. Der Grund ihrer Ausreise aus Äthiopien war die drohende Zwangsverheiratung mit einem Mann, der um vieles älter als sie war. Sie setzte sich über bereits von ihrer Familie vereinbarte Verträge hinweg und überwarf sich dadurch mit ihrem Vater. Aus diesen Gründen konnte sie nicht mehr bei ihrer Familie bleiben. Als 16-Jährige wurde Hannah von einer österreichischen Familie adoptiert, mit der sie einige Jahre in Wien lebte. In Wien hat sie noch immer all ihre Freundinnen und Freunde. Da aber ihre Adoptiveltern und ihr Freund seit einigen Jahren in Graz wohnen, lebt Hannah nun auch in Graz. Sie würde allerdings lieber in Wien leben. Hannah könnte sich auch vorstellen wieder in Addis (der Hauptstadt von Äthiopien) zu wohnen, wenn es möglich wäre. Hannah fühlt sich ihren leiblichen Eltern in Äthiopien gegenüber verpflichtet, gleichzeitig fühlt sie aber auch ständige Verpflichtungen gegenüber ihren Adoptiveltern in Österreich.

Zuhause Tigrinya, in der Schule Amharisch

Hannah lernte in Äthiopien Amharisch, da die Familie in einer Gegend wohnte, wo Amharisch die Umgangssprache war. Eigentlich war die Muttersprache ihrer Eltern Tigrinya. Tigrinya lernte Hannah zu Hause im familiären Umfeld aber erst im Alter von sieben Jahren. Zu diesem Zeitpunkt entschieden ihre Eltern mit Hannah in ihrer eigenen Muttersprache zu kommunizieren, da sie selbst die Umgebungssprache Amharisch grammatikalisch nicht vollständig beherrschten. Sie konnten sich aber mit Amharisch gut in ihrer Umgebung verständlich machen. Im Kindergarten und in der Schule lernte Hannah Amharisch, jede Woche hatte sie zusätzlich ein bis zwei Stunden Englischunterricht. In der äthiopisch-orthodoxen Kirche benützte Hannah die alte Kirchensprache Geez für Gesänge und Gebete. Diese wird auch heute noch in diesen Kontexten benützt.

Tigrinya, Amharisch und Deutsch

Hier in Graz unterhält sich Hannah mit ihren afrikanischen Freunden und Freundinnen auf Englisch, Amharisch oder Tigrinya, wobei sie in Graz noch besser Tigrinya als bei ihrer äthiopischen Herkunftsfamilie gelernt hat. Tigrinya ist mit dem Arabischen verwandt und hat viele gutturale Laute. Mit ihrem Freund, ihren Adoptiveltern, in der Arbeitswelt und bei den Behörden spricht sie Deutsch.

Sehnsucht nach Äthiopien

An Äthiopien vermisst Hannah vor allem drei Dinge: In der Früh ist es der Weckruf des Sheiks („Allah ist groß!“) und des Abba („Alle Christen steht auf, Zeit zum Beten!“). In Äthopien haben immer alle darauf gewartet, wer von den beiden als Erster rufen wird.
Am Tag ist es die Kaffeezeremonie, die 3 Stunden dauert.
Gegen Abend ist es der Ruf von der Moschee, der ihr gesagt hat, dass das Lernen für die Schule zu Ende sei.