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Sprachbiographien – Osa (35)

Edo / Englisch / Deutsch

“ganz ganz wenig English: broken English”

Osa ist 1978 in Benin City geboren, dort wuchs sie auch auf. Ihre Eltern ließen sich scheiden, als Osa noch sehr jung war. Sie kam in die Obhut ihrer Tante, die ein Restaurant betrieb, in dem sie schon von klein auf regelmäßig mitarbeitete. Ihre Schulbildung wurde eher vernachlässigt. Ihre Erstsprache war Edó. Diese erwarb sie über die Kommunikation mit ihren Eltern und Verwandten. Osas Eltern sprechen beinahe ausschließlich Edó. Ihre Englischkenntnisse bezeichnet Osa als "ganz ganz wenig English: broken English". Mit sechs Jahren kam Osa in die Grundschule. Der Unterricht wurde auf Englisch abgehalten. Das sei laut Osa notwendig, da so viele verschiedene Volksgruppen in einer Klasse zusammenkämen und daher bräuchte man eine gemeinsame Sprache. Die jeweilige Muttersprache konnte man nur als eine Art freies Wahlfach belegen. Auf meine Frage, wie sie dem Unterricht folgen konnte, wenn ihre Eltern doch nur Edó gesprochen hätten, antwortete Osa, dass sie Englisch immer in irgendeiner Form mitbekommen hätte. Zuhause, erzählte Osa, sei es in der Nachbarschaft üblich, dass abends die Leute aus ihren Wohnungen kämen, um beisammen zu sitzen, zu tratschen und sich Geschichten zu erzählen. Zwar ist Benin City Edó-Gebiet und Edó somit stark verbreitet, dennoch leben Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen, und um eine gemeinsame Sprache zu haben wird je nach Zusammensetzung der Sprechergruppe oft nur Englisch gesprochen.

Sprache als etwas Freiwilliges

Osa zeigt bezüglich ihrer Sprache und Herkunft keine nationalistischen oder idealistischen Tendenzen. Sie sagt zwar, sie spräche ihre Sprache gern und mit ihren Verwandten zuhause (oder in anderen Erdteilen) bzw. Freunden hier in Graz, die ebenfalls zu ihrer Volksgruppe gehören (sie verwendet den Terminus "von meinem Land"), sei es ganz selbstverständlich, dass Unterhaltungen in Edó geführt würden, aber nur solange jeder Beteiligte dies auch verstünde, andernfalls würden sie automatisch zu Englisch oder Deutsch wechseln. Für Osa ist es eine Frage der Höflichkeit die Sprache in einer Unterhaltung auf den größten gemeinsamen Nenner zu bringen; denn schließlich hat keiner etwas davon, wenn der andere nichts versteht. So hält es Osa auch zuhause. Die Idee, dass jemand, der in einem Edó-Gebiet lebt, auch die Sprache sprechen bzw. lernen sollte, hat für Osa keine Relevanz. Sie ist sich dessen bewusst, dass es Menschen gibt, die dies fordern, aber für sie ist es nicht wichtig: Sprache ist freiwillig.

Deutsch – die gemeinsame Sprache

Osa kam mit 22 Jahren nach Österreich, weil sie etwas anderes sehen, ein neues Land kennenlernen wollte. Eine Bekannte von ihr war bereits in Graz und so beschloss sie hierher zu ziehen. Anfangs wollte sie sofort wieder zurück. Sie fand sich nicht zurecht und keiner verstand sie. Sie konnte kein Deutsch und ihr Englisch war den meisten unverständlich. Langsam aber lebte sie sich doch ein, fand Arbeit. Sie lernte einen Mann kennen, den sie später heiratete. So erhielt sie die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Ehe verlief aber nicht gut und die beiden ließen sich scheiden. Mittlerweile ist Osa in Graz gut verankert. Sie arbeitet in demselben Restaurant, in dem sie vor sieben Jahren als Abwäscherin angefangen hat, heute kocht sie dort auch. Sie hat auch Freunde nicht afrikanischer Herkunft und unter ihnen ist Deutsch die gemeinsame Sprache. Obwohl Osas Deutschkenntnisse nach 12-jährigem ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich noch immer sehr dürftig sind, hält sie ArbeitskollegInnen anderer Nationalitäten immer dazu an Deutsch zu sprechen, schließlich lebe man hier und solle diese Sprache daher auch verwenden.

Deutsch – die Herausforderung

Osa lernte Deutsch nur an ihren Arbeitsplätzen bzw. in Alltagssituationen, einfach durch zuhören und ausprobieren. Erst nach Jahren des Aufenthalts in Österreich besuchte sie, nicht sehr erfolgreich, einen Sprachkurs (ISOP). Die Schwierigkeit bestand darin, dass Osa aufgrund ihrer unzureichenden Schulbildung ihre Fähigkeit zu schreiben nahezu verlernt hatte. Ein weiteres Problem war die Zusammensetzung des Kurses mit TeilnehmerInnen unterschiedlichster Nationalitäten und (sprachlicher bzw. schulischer) Vorbildung. Außerdem war die Teilnehmeranzahl zu groß, als dass der Lehrende auf individuelle Probleme hätte eingehen können.
Schließlich gab es für Osa keine zwingende Notwendigkeit Deutsch zu lernen. Sie konnte sich an ihrem Arbeitsplatz verständigen, sie hatte Freunde, konnte einkaufen oder auf Behörden gehen. Das Deutsch reichte meistens aus, zur Not behalf sie sich mit Englisch oder erhielt Unterstützung von deutschsprechenden Bekannten. Mittlerweile haben sich Osas Ansichten geändert. Sie möchte einen Beruf erlernen und wird sich immer mehr bewusst, dass sie auf dem Weg dorthin um fundierte Deutschkenntnisse nicht herum kommt. Seit kurzem hat sie eine Deutsch-Privatlehrerin. Ihre ArbeitskollegInnen hält sie mittlerweile dazu an "gutes Deutsch" zu sprechen und keinen Dialekt und ihre Fehler gleich zu korrigieren, sonst würde sie es nie lernen.