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Sprachbiographien – Srirangan (48)

Tamil / Deutsch / Englisch / Italienisch / Arabisch / Französisch

Vom tropischen Urlaubsparadies in die Kulturhauptstadt mit Asphaltwüsten …

Sri stammt aus Sri Lanka, Gewürzinsel im Indischen Ozean und wuchs auf der nördlichen Halbinsel Jaffna als das älteste von vier Kindern auf. Neben den Amtssprachen Singhalesisch und Tamil zählt Englisch als Verkehrs- und Bildungssprache. Obwohl der Buddhismus als die friedlichste Weltreligion gilt, wurde die tamilische Minderheit jahrzehntelang von den buddhistischen Singhalesen unterdrückt, wodurch es zu einem 37 Jahre andauernden Guerillakrieg mit tausenden von unschuldigen Opfern kam. Sri floh 1983 als einziger seiner Familie nach Indien. Bevor er im Jahre 1987 nach Österreich kam, lebte, wohnte und arbeitete er in Pakistan, Ägypten und Italien, wo er sich sehr gute Sprachkenntnisse der jeweiligen Nationalsprache aneignete. Durch Zufall war seine erste Station Graz und er schlug hier Wurzeln. Er ist stolzer Besitzer des Café, Bar- und Restaurantbetriebes im Herzen von Graz namens Dainadoo, was vom Tamilischen ins Deutsche übersetzt „Heimat“ bedeutet.

Deutsch im Nu

Sri fand mit seiner herzlichen, authentischen und kommunikativen Art relativ flott Anschluss und erlernte Deutsch durch Bekannte, die sich im Laufe der Jahre als wahre Freunde entpuppten. Als Sri nach Österreich kam, konsumierte er viel englisches TV und deutschsprachige Magazine. Nach über 20 Jahren in Österreich brauche er heute das englische Fernsehen nach wie vor, um besser über das Weltgeschehen Bescheid zu wissen. Via Internet holt er sich von tamilischen bzw. sri lankischen Nachrichtensendern vor allem politische Informationen über seine Heimat.

Ohne jemals einen Deutschkurs besucht zu haben, und der Tatsache, dass „Sri“ der einzige Tamil-Sprecher in Graz ist, spricht er eine typisch regionalbedingte und „Grazerisch-steirische“ Dialektform. Seine engsten Freunde und Bekannte sind alle Einheimische. 2006, als er das einzige Mal in sein Herkunftsland reiste, verließ er es voller Schmerz, Wut und Trauer. Sein Heimathaus des Familienclans im Kriegsgebiet wurde durch einen Bombenangriff der Luftwaffe komplett zerstört, es war nur mehr eine Mauer übrig geblieben. Nein, „zu Hause“, das sei ja schon längst Graz. Er selbst fühle sich als Teil von der Stadt und auch als Österreicher. Laut ihm spreche er mittlerweile besser Deutsch als Tamil, da er seine Muttersprache im alltäglichen Sprachgebrauch nie verwendet und zudem der Kontakt zu seiner Familie in Sri Lanka früher intensiver war als heute.

Patchworkfamily und Ethnobusiness

Sri ist zwar nicht verheiratet, lebt aber glücklich mit seiner Grazer Freundin, deren zwei Kindern aus einer früheren Beziehung und dem gemeinsamen 3 Jährigen. „Sobald wir zusammen waren, haben wir uns ohnehin als Familie gefühlt und wir bekommen nächstes Jahr Nachwuchs“, erzählt er stolz. Innerhalb der Familie in Graz wird zu 99% Deutsch gesprochen. Sri hat versucht, bei den älteren Kindern das Interesse für das Tamilische zu wecken, leider erfolglos. Lediglich das jüngste Kind spricht ein bisschen Tamil. Seine Freundin verschlägt es beruflich oft monatlang nach Afrika, die Kinder im Gepäck. Bis zum Geburtstermin sei sie wieder retour und dann herrsche wieder emotionale Idylle.

In der Zwischenzeit verbringt er die meiste Zeit in seinem Lokal, seinem eigentlichen Zuhause. Sri ist Gründer, Besitzer und Geschäftsführer und bezeichnet sich selbst als Chef. Er definiert sich als Arbeiter: er ist begnadeter Koch, kellnert bravourös und erledigt die täglichen Einkäufe. In Anbetracht, dass er Dienstleistungsgeber für alle ist, betreibe er auch kein Ethnobusiness. Zumal er kein Verfechter der Ethnien ist. Er glaubt weder an Religion bzw. die Weltreligionen und auch nicht an den Hinduismus. Er ordnet sich in die Klasse „spirituell“ ein und glaubt an etwas Größeres, an etwas gutes Göttliches.Sri kocht nicht ausschließlich tamilisch und sri lankisch, sondern bietet auch einige internationale Speisen wie Getränke an. Generell habe er nur ein paar Gerichte auf seiner Speisekarte. Eine kleine, aber feine Küche. Wichtig sei, mit qualitativ hochwertigen Zutaten zu kochen. Er legt Wert auf Frische und Originalität, deshalb besitzt er weder Backofen noch Mikrowelle oder Friteuse. Als er noch ein kleiner Junge war, habe er sich nach der Schule stets in die Küche verkrümelt und gemeinsam mit seiner Mutter die restliche Familie bekocht. Auf Sri Lanka werden über 700 Gewürze angebaut. So liegt es ihm im Blut, viel mit Gewürzen zu experimentieren. Er liebt Reis und Curry, weshalb es jeden Tag ein spezielles Gericht mit diesen Zutaten gibt. Mit seinen Kollegen und Gästen sprichtSri Deutsch. Da er aber auch über verschiedenste Fremdsprachen verfügt, kann er davon des Öfteren Gebrauch machen. Seine Arbeitnehmer sprechen alle Englisch und kommunizieren mit nicht-Deutsch-sprechenden Kunden auf Englisch.

Tamil

Das Tamilische ist eine Drawidische Sprache mit ca. 62 Millionen SprecherInnen vor allem in Indien und im nördlichen Teil Sri Lankas, wo sie als eine der offiziellen Sprachen fungiert. Die buddhistischen Singhalesen auf der Insel machen den größten Teil der Bevölkerung aus, die Tamilen stellen die größte Minderheit dar.Sri gehört zu den 18 Prozent der meist hinduistischen Tamilen. In der Familie und auch in der Schule wird Tamil gelernt und gelehrt. Tamil besitzt auffällig unterschiedliche Register, die den sozialen Status der SprecherInnen und den Grad der Formalität, in dem sie zueinander stehen, anzeigen.