multilingual GRAZ / STYRIA

Sprachbiographien – Stefanie (30)

Deutsch / Englisch / Italienisch / Spanisch / Französisch

Wenn Kulturen aufeinander treffen

Auf die Frage, ob sie Österreicherin ist, zögert Stefanie meistens. Denn obwohl sie in Graz geboren wurde und die meiste Zeit hier aufgewachsen ist, fühlt sie sich eher als eine Mischung aus verschiedenen Kulturen.

Ihr Vater stammt aus Südtirol und spricht Deutsch mit einem Südtiroler Akzent, wobei er und Stefanies Großvater auch Italienisch sprechen, diese Sprache aber für ihren Großvater mit einer unangenehmen Konnotation behaftet war. Aufgrund der Staatsbürgerschaft des Vaters erhielten auch Stefanie und ihre Mutter durch die Heirat die italienische Staatsbürgerschaft. Stefanie konnte erst später um eine österreichische ansuchen und Mutter und Tochter besitzen im Moment eine Doppelstaatsbürgerschaft. Anfangs hatten sie italienischsprachige Au-pair Mädchen und lernten so Deutsch und Italienisch gleichzeitig. Später hatten sie englischsprachige Au-pair Mädchen und Italienisch wurde mehr passiv wahrgenommen, da ihre Eltern meinten, dass drei aktive Sprachen zu verwirrend wären.

Da Stefanies Mutter Italienisch studierte, wurde diese Sprache unter ihren Eltern nach einiger Zeit als “Geheimsprache” verwendet, wenn sie nicht wollten, dass Stefanie und ihre Schwester alles verstanden. Ihre erworbenen Italienischkenntnisse konnte sie leider nicht aktiv anwenden und meint, dass ihr dadurch vielleicht einige kulturelle Aspekte verwehrt blieben.

Aus dem Südtiroler Dialekt ihres Vaters verwendet die Familie viele Ausdrücke, was ihr nicht so bewusst scheint, erst wenn es in Graz zu “Kommunikationsproblemen” kommt.

Einflüsse von allen Seiten

Aufgrund ihrer bilingualen Erziehung spricht sie mit ihrer Schwester und Mutter neben Deutsch auch Englisch, wobei oft zwischen beiden Sprachen gewechselt wird ohne es zu bemerken.

Von Seiten ihrer Mutter kommt ein skandinavischer, slowenischer, britischer, US-amerikanischer und kanadischer Einfluss. Die Großeltern ihrer Mutter kamen ursprünglich aus Skandinavien, sind in die USA ausgewandert und dann wieder nach Europa gekommen. Stefanies Großvater mütterlicherseits wurde in Arco im jetzigen Italien geboren und ist in Pettau in Slowenien aufgewachsen und während des Krieges nach Österreich gekommen.

Ihre Mutter ist in Österreich geboren, aber Stefanies Großvater ist nach Kanada ausgewandert und hat dort ein zweites Mal geheiratet. Die „Stiefoma“ ist Britin, die in Kanada und hin und wieder in Uganda lebt. Ein Großteil ihrer Verwandtschaft ist dadurch englischsprachig. Obwohl sie keine kanadische Staatsbürgerschaft hat, fühlt sie sich durch die Sprache sehr dem Land und der Kultur verbunden.

Spanisch mitten im Leben lernen

Sie besuchte ein bilinguales Gymnasium mit Unterricht auf Deutsch und Englisch, wobei sie auch Französisch, Latein und Spanisch lernte. In der siebten Klasse verbrachte Stefanie ein Semester in Chile. Die größte Herausforderung war es aber nicht die Sprache zu lernen, denn nach drei Monaten konnte sie fast alles verstehen, sondern die Verhaltensregeln einer ihr fremden Kultur zu erkennen, verstehen und anzuwenden.

Das Spanisch hatte auch auf ihr Deutsch abgefärbt und sie übernahm einige Ausdrücke und Satzstellungen aus dem Spanischen. Sie fühlte sich in dieser Sprache sehr wohl, weil sie Spanisch „mitten im Leben“ gelernt hat und obwohl sie nicht viel Ahnung von Grammatik hat, kann sie über Gott und die Welt reden. Stefanie hatte auch den chilenischen Akzent und den chilenischen Wortschatz angenommen und stieß dann beim Versuch Spanisch zu studieren auf „Diskriminierung“ und Unverständnis.

Stattdessen studierte sie Englisch und Kunstgeschichte und versuchte während des Studiums mit mehreren Italienaufenthalten sich die italienische Sprache auch aktiv anzueignen. Außerdem hat sie versucht Schwedisch zu lernen und hätte großes Interesse daran einen Einblick in die slowenische Sprache zu bekommen.

Bei ihrem Forschungsaufenthalt in Kanada, im Rahmen der Verfassung der Diplomarbeit, konnte sie längerfristig in die kanadische Kultur eintauchen.

Multilingual im Beruf und privat

Auch an ihrem Arbeitsplatz ist sie mit gelebter Mehrsprachigkeit konfrontiert. Die Arbeitssprachen sind Englisch und Französisch und hin und wieder auch Deutsch. Aufgrund des multilingualen Umfelds und ihrer plurilingualen KollegInnen wird ständig zwischen den verschiedenen Sprachen gewechselt.

Bei ihrer Arbeit als Kunst- und Kulturvermittlerin bei einer zeitgenössischen Kunstbiennale in Spanien, konnte sie nicht nur wieder in einer spanischsprachigen Umgebung leben (auch wenn das Spanisch in Südspanien wieder ganz anders war), sondern auch bei mehrsprachigen Führungen von ihrem Sprachrepertoire Gebrauch machen.

Privat in ihrer Beziehung kommuniziert sie, da ihr Partner aus dem Königreich Benin in Nigeria stammt, meistens auf Englisch oder Deutsch, je nachdem wo sie sich befinden und wer in der Gesprächsrunde noch dabei ist. Oft verwendet er auch seine Muttersprache Edo (Benin), in der Stefanie ein paar Phrasen verstehen und anwenden kann.

Mit anderen FreundInnen spricht sie oft in der Sprache, in der sie sich kennengelernt haben, auch wenn diese bereits Deutsch beherrschen.

Sprachen, Länder, Identität

Sie glaubt, dass das Land in dem man lebt und die Sprachen mit denen man sich umgibt und welche man anwendet, viel zur eigenen Identität beitragen. Der Aspekt Sprache ist für sie ein sehr wesentlicher. Sprache ist Identität, man drückt damit Ideen, Gefühle und Meinungen aus. Wenn man sich aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht ausdrücken und mitteilen kann, stößt man an seine Grenzen. Nicht zu verstehen, heißt die Kontrolle zu verlieren, sich nicht mitteilen können wird oft mit Dummheit gleichgesetzt und es ist meist schwer in gewissen Situationen das Gegenteil zu beweisen, wenn einem die Worte fehlen.